geschmiedet in turin, in mondheller nacht

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    es muss so ende der achtziger gewesen sein. es war eine zeit, wo es noch kein internet gegeben hat. 20 mb festplatte, 624 kb arbeitsspeicher, mann, ein toller rechner.


    papa, stich ihn! so hat meine tochter zu mir gesagt, wenn sie bei mir am schoss gesessen ist und wenn ich den „prince of persia“ gespielt habe. verschiedene abenteuer waren da zu bestehen, man musste sich von level zu level hanteln, durch rotierende messer laufen, über abgründe springen und von zeit zu zeit ist ein gegner mit einem schwert aufgetaucht, den galt es zu besiegen, damit man weiterkommt. papa, stich ihn, hat mich die tochter dann angefeuert, damit das spiel weitergeht.


    papa, lass dich nicht überholen! da war es wieder, das anfeuern, das grenzenlose vertrauen der tochter in ihren papa, der doch alles kann. aber das redet sich so leicht: lass dich nicht überholen, wo doch das auto nur 58 ps gehabt hat. dafür aber vier personen im innenraum und tausend kilo wohnwagen hinten am haken dran. und draussen waren 38 grad brüllende hitze und vor uns die autobahn über die kasseler berge, die kerzengerade drüber führt - wie eine drohende wand vor dem auto, schon für ein leeres auto eine herausforderung, aber erst recht für eines, das einen wohnwagen dranhängen und das nur 58 ps hat. und wo doch die anderen alle viel mehr ps haben, bunte prospekte, quicke verkäufer, ausgefeilte werbestrategien: treten sie näher, treten sie ran, das haben sie noch nicht gesehen, wir gehen goldenen zeiten entgegen.


    38 grad draussen und den wohnwagen am haken. vorne das band aus asphalt und von hinten das: papa, lass dich nicht überholen!


    und dann hab ich überlegt: was steht auf der habenseite, was im soll? ein fiat tipo, zu wenig ps, zu viel gewicht, keine klimaanlage, keine servolenkung, vier räder, vier türen, ein lenkrad. und um uns all die anderen wohnwagengespanne, die sich auch die berge hinaufgequält haben.


    auf der habenseite: unter der haube ein motor wie ein stier. ein diesel, ein rauer gesell, schon damals technisch nicht mehr ganz das allerneueste, keinen turbo, keine bunten prospekte, keine quicken verkäufer. aber ehrlich dafür. gradlinig. geschmiedet in turin in einer mondhellen nacht in riesigen hallen, seine väter, raue kerle auch, herunterkommend von den lombardischen bergen, stehend an den gesenkschmieden mit nacktem oberkörper, schwitzend, die funken sprühen, wenn die pressen niedersauen, formen aus allerbestem eisen nach den plänen der entwickler ein stück stahl.


    irgendwie muss es es gehört haben, der motor, das lass dich nicht überholen. hat sich ins geschirr geschmissen, hat zu ziehen angefangen, hat geschwitzt und hat gewerkt, weit über 100 grad schon die kühlertemperatur, hat er nicht nachgelassen, ist losgestürmt, die berge hinauf, hat sich erinnert, dass er aus italien kommt, wo es immer so heiss ist. 38 grad? pah, da werd ich erst richtig wach! hat sich seiner väter erinnert und dass er ihnen keine schande machen darf, hat sich vielleicht auch seiner verwandten erinnert, die aus mailand kommen, aus modena und aus maranello.


    es muss einer aber auch klug sein, darf sich nicht hinreissen lassen und gar zu viel verlangen. muss man sein temperament im zaum halten, zusehen, dass man auf den bergabstücken die temperatur wieder herunterbringt, reserve schaffen kann für die steilen berganstücke. bergab kann es ein jeder, bergauf nur die besten.


    boah, hat die tochter gesagt, wie es bei einem anderen wohnwagengespann vor uns den motor zerrissen hat, dass wir durch eine blaue wolke fahren mussten, boah, hat sie wieder gemeint, wie wir ein 200 ps auto überholt haben, das nur mehr mit 30 km/h den berg hochgekrochen ist, waidwund, weil der motor schon am kochen war, boah, wie wir all die anderen wohnwagen hinter uns gelassen haben, boah, wie wir mit 50 km/h die wände aus asphalt hinaufgebrettert sind.



    längst vergangen ist die zeit. heute werden die motoren von robotern gebaut. aber hab immer noch dank, dass du das vertauen meiner tochter in mich gerechtfertigt hast, du stück stahl, geschmiedet in turin, in mondheller nacht.




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    Einmal editiert, zuletzt von giallarhorn ()

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